“Stellen Sie sich nach der Promotion breit auf!”

24. August 2023

Wann kam bei Ihnen der Wunsch auf, in die Wissenschaft zu gehen und Professorin zu werden?

Rückblickend betrachtet kam der Wunsch relativ spät auf. Ich war die erste in meiner Familie, die studiert hat und habe in Heidelberg Politikwissenschaft und VWL auf Magister studiert – einem damals sehr konservativen Umfeld, das sehr männlich geprägt war. Ich hatte daher keine weiblichen Vorbilder und konnte mir gar nicht vorstellen, in die Wissenschaft zu gehen oder gar Professorin zu werden. Bei der Recherche für meine Magisterprüfung bin ich jedoch auf ein Doktorandenprogramm an der Uni Mannheim gestoßen. Dieses weckte großes Interesse in mir und ich bewarb mich dann dafür – (glücklicherweise) mit Erfolg. Ich hatte anfangs vor, mich danach z.B. in Ministerien zu bewerben und hatte mir eine wissenschaftliche Karriere gar nicht zugetraut. Ich bin schließlich Erstakademikerin und eine akademische Laufbahn lag mir fern. Dieses Programm gefiel mir jedoch sehr gut: wir genossen eine fundierte methodische Ausbildung, haben wichtige Einblicke in aktuelle internationale Forschungsprojekte bekommen und wurden intensiv auf die Veröffentlichung von eigenen Publikationen vorbereitet. Rückblickend gesehen war dieses Programm wie eine Erleuchtung für mich. Entscheidend war damals jedoch auch der Erfolg bei der Bewerbung um PostDoc Stellen. Sollte ich eine gute Post-Doc Stelle bekommen, wollte ich es mit der Wissenschaft ernsthaft probieren. Ich hatte mich damals breit beworben und als ich die Zusage für die Post-Doc Stelle in Oxford am Nuffield College bekam, entschied ich, den Schritt in die Wissenschaft zu wagen.

Neben Ihren professoralen Aufgaben haben Sie noch weitere Ämter inne, u.a. Associate Editor beim Journal of Politics und European Union Politics. Während der Covid-Pandemie waren Sie außerdem Mitglied im Beraterstab der Berliner Landesregierung. Wie bekommen Sie all diese Aufgaben unter einen Hut?

Ehrlich gesagt wächst man da so rein. Außerdem hat man ja eine Entwicklung hinter sich, bei der mit jeder Stelle neue Aufgaben hinzukommen. Ich war ja erst Doktorandin, dann Post-Doc und anschließend Juniorprofessorin, bei der man solche Aufgaben schon im Kleinen übernimmt. Manchmal muss man auch ins kalte Wasser springen. Ich erstelle mir zwar keinen Wochenplan, würde mich aber als recht organisiert beschreiben. Ich habe mit der Zeit außerdem gelernt, Prioritäten zu setzen und kein Mikromanagement zu betreiben. Mir persönlich liegt Nachwuchsförderung am Herzen und dieser räume ich daher auch hohe Priorität ein. Ich setze mich also auch mal spätabends noch hin, um ein Empfehlungsschreiben zu erstellen. Eine Journal Review kann dagegen auch mal warten.

Grundsätzlich teile ich mir das wie folgt ein: während der vorlesungsfreien Zeit forsche ich und verfasse Drittmittelanträge, während der Vorlesungszeit dagegen kümmere ich vornehmlich mich um Lehre, Admin-Aufgaben und die Direktion des Instituts (ein Amt, das ich vor 2 Jahren übernommen habe). Ich versuche auch, mir unter dem Semester ein bis zwei Vormittage für Forschung frei zu halten – dies klappt manchmal besser, manchmal schlechter.

Sie sind Mutter von vier Kindern. Wie vereinbaren Sie Familie und Beruf?

Wenn man die Professur hat, hat man das Privileg, seine Zeit recht frei einzuteilen. Ich versuche daher alles so zu legen, dass ich um 15 Uhr die Kinder aus der Kita abholen kann. Mein Alltag ist also von morgens bis 15 Uhr ziemlich durchgetaktet. Zeit für spontane Treffen bleibt da also kaum. Wenn die Kinder im Bett sind, setze ich mich abends nochmal an den Schreibtisch und kümmere mich um Aufgaben wie Journal Herausgeberschaften, Emails oder Gutachten.

Das universitäre Umfeld spielt dabei aber auch eine große Rolle: die Humboldt-Universität habe ich bisher als ziemlich progressive Universität erlebt, da diese u.a. auch viel Wert auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf legt. Innerhalb unseres Instituts steht es also gar nicht zur Diskussion, Treffen nach 15 Uhr zu organisieren. Es herrscht Konsens, dass nachmittags viele ihre Kinder abholen müssen. Außerdem kann man zu Beginn des Semesters seine Lehrzeiten frei festlegen. Als Lehrstuhlinhaberin ist es mir ebenfalls ein Anliegen, ein Vorbild zu sein und jungen Nachwuchswissenschaftler*innen flexible Arbeitszeiten zu ermöglichen, damit sie Familie und Wissenschaft vereinbaren können.

Eine weitere große Rolle spielt natürlich auch das Timing: Mit meiner Post-Doc Stelle damals wäre das mit Kindern deutlich schwieriger gewesen – denn in dieser Karrierephase befindet man sich ja noch im Hamsterrad auf dem Weg zur Professur.

Welches war eine der größten Herausforderungen Ihrer akademischen Laufbahn? Und wie haben Sie diese gemeistert?

Die für mich schwierigste Zeit war die Post-Doc Phase. Ich hatte einen Post-Doc von zwei Jahren und wusste nach eineinhalb Jahren nicht, wie ich in einem halben Jahr meinen Lebensunterhalt finanzieren soll. Mit dieser Unsicherheit war ich jedoch nicht allein, den anderen Post-Docs ging es genauso. Sich mit anderen auszutauschen fand ich damals sehr hilfreich. Wichtig war damals, sich breit zu bewerben und Kontakte zu knüpfen, um sich verschiedene Optionen für die Zeit nach dem Post-Doc offen zu halten. Ich hatte damals das Glück, direkt im Anschluss an die Post-Doc Stelle eine Juniorprofessur zu bekommen.

Welches war einer der wertvollsten Tipps, den Sie während Ihrer Karriere erhalten haben? Und welchen Rat würden Sie Nachwuchswissenschaftlerinnen mit auf den Weg geben?

Publikationen, insbesondere peer-reviewed journal Artikel, sind das A und O in der Wissenschaft, Die deutsche Monographie spielt in meinem Fach keine Rolle mehr. Ich finde es auch wichtig, sich frühzeitig ein eigenes Netzwerk aufzubauen – sowohl mit Juniors als auch mit Seniors. Dies hat mir zumindest immer viel gebracht. Außerdem empfehle ich, überlegt zu promovieren und sich insbesondere den Doktorvater oder die Doktormutter gut auszuwählen. Man sollte einen Betreuer haben, der einen unterstützt, einem bei der eigenen Forschung Freiheit lässt und einem nicht zu viele andere Aufgaben überträgt. Langfristig gesehen folge ich einem Rat meines Doktorvaters, der mir empfahl, sich mit Leuten zu umgeben, die smarter sind als man selbst (lacht). Denn so lernt man auch selbst immer viel dazu. Ein weiterer Tipp, den ich allen für die Zeit nach der Promotion mitgeben will: Stellen Sie sich breit auf und erarbeiten Sie sich ein bis zwei weitere Forschungsfelder. Denn dann qualifizieren Sie sich – je nach Ausrichtung – auch für mehr als nur eine Denomination, was gerade in Deutschland mit den im internationalen Vergleich recht kleinen Instituten wichtig ist.