“Motivation kann man sowohl aus "flows" als auch aus "achievements" ziehen!”

08. Januar 2023

Sie sind seit 2012 Professorin für Schweizer Politik und Vergleichende politische Ökonomie am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Zürich. Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf besonders?

Der Beruf der Professorin ist sehr vielfältig, weil die Tätigkeiten drei sehr unterschiedliche Bereiche umfassen: erstens kreatives und konzentriertes Arbeiten in der Forschung, zweitens kommunikative, interpersonelle Tätigkeiten in der Lehre und Personalführung, und drittens strategische Arbeiten im Universitätsmanagement. Um als Professorin glücklich zu werden muss man alle drei Tätigkeiten gerne ausführen, denn eine Professur ist wirklich ein sehr anderer Job als die forschungszentrierte Tätigkeit als Postdoc. Und schließlich möchte ich die sehr große inhaltliche und zeitliche Autonomie erwähnen, die wohl alle Professor:innen für diese Karriere motiviert. Soviel Freiheit hat man wohl in kaum einer vergleichbaren Anstellung in einer großen Organisation.

Bevor Sie 2012 die ordentliche Professur an der Universität Zürich bekamen, hatten Sie eine Juniorprofessur an der Universität Konstanz inne. Welche Erfahrungen haben Sie als Juniorprofessorin gemacht? Welche Vor- und Nachteile bringt eine solche Professur mit sich?

Für mich war es ein ausgezeichnetes Sprungbrett, auch weil der Fachbereich in Konstanz extrem unterstützend war. Ich hatte sehr viel Forschungszeit und wenige administrative Aufgaben, so dass ich viel publizieren konnte und gleichzeitig ein Lehrportfolio aufbauen, das mir dann beim Antritt der vollen Professur sehr geholfen hat. Der Start im Ordinariat ist extrem hart, weil die Arbeitsbelastung massiv zunimmt und zwar an allen Fronten gleichzeitig, ich fand die "Anlaufzeit" sehr hilfreich.

Wie haben Sie Ihre Forschungsschwerpunkte festgelegt? Und wie schaffen Sie dabei die Balance zwischen thematischer Breite und thematischer Spezialisierung?

Die beste Forschung macht man, wenn das intrinsische Interesse groß ist. Wir müssen die Freiheit nutzen, inhaltliche Schwerpunkte selber setzen zu können. Ich habe mich immer für Verteilungspolitik interessiert, für den gesellschaftlichen Strukturwandel und für Machtverteilung in der Gesellschaft. Alle meine Forschungsfelder verbinden diese Themen in unterschiedlicher Weise. Wichtig ist, immer einen roten Faden zu behalten, eine kohärente Entwicklung der eigenen intellektuellen Laufbahn. Das macht diese nicht nur einfacher vermittelbar, sie schafft auch die Voraussetzung für einen kumulativen inhaltlichen Beitrag zu einem Forschungsbestand.

Welches war eine der größten Herausforderungen Ihrer akademischen Karriere? Und wie haben Sie diese gemeistert?

Das Zeitmanagement natürlich (gleichzeitig mit Familienphase, aber auch ohne wäre es heftig). Nach 3 Semestern Ordinariat war ich an einem Tiefpunkt, weil ich von der schieren Menge an Anforderungen von allen Seiten (Drittmittelprojekte, Personalmanagement, Publikationen, Datensammlungen, Teamaufbau, Lehre, Lehrstuhl- und Institutsmanagement, Medien und Öffentlichkeitskommunikation) fast erschlagen war und nur noch funktionierte. Die Arbeit machte mir erstmals kaum mehr Freude. Ich habe damals ein Coaching begonnen, dass ich sporadisch immer noch mache. Es hat mir langfristig die Werkzeuge gegeben, um Kontrolle über die Prioritäten zu behalten und bewusster zu entscheiden, wozu ich diese Professur eigentlich benutzen will, was ihr langfristiger Beitrag sein soll.

Welches war einer der wertvollsten Tipps, den Sie während Ihrer Laufbahn erhalten haben? Und welchen Ratschlag möchten Sie Nachwuchswissenschaftlerinnen geben?

Ich habe gelernt, dass Motivation aus "flow" und aus "achievement" kommen kann. Flow-Motivation bezeichnet das Glück das wir empfinden, wenn uns eine Tätigkeit erfüllt, bei mir etwa beim Auswerten von Daten, beim Schreiben, oder beim brainstormen im Team. Achievement-Motivation ist das Glück, das wir empfinden, wenn wir ein Ziel erreicht haben, eine Beförderung, eine Publikation, ein Grant. Die akademische Karriere trimmt uns auf die Jagd nach Achievements, aber für langfristige und nachhaltige Zufriedenheit ist es wichtig, immer wieder Zeit für den "Flow" zu finden und den eigenen Flow kennen zu lernen. Das ist das eine. Das andere ist, die eigenen Zeiten von hoher und tiefer kognitiver Leistungsfähigkeit kennen zu lernen. So oft ich kann halte ich die Vormittage frei, um schwierige kognitive Dinge zu erledigen. Dann kann ich guten Gewissens die Nachmittage für allerlei Tätigkeiten verwenden, die weniger anstrengend sind.