“Nehmen Sie sich immer genug Zeit für die eigene Forschung!”

24. März 2021

Wann haben Sie sich dazu entschieden, in die Wissenschaft zu gehen und den Wunsch formuliert, Professorin zu werden?

Mein Studium der Verwaltungswissenschaft in Konstanz hat mir zwar gut gefallen, jedoch war ich mir damals noch nicht sicher, ob ich in die Wissenschaft möchte. Ein Dozent hatte mir aber zu einer Promotion geraten. Er hielt mich für fähig, betonte aber auch, dass man als junge Frau mit einem Doktortitel generell ernster genommen werden würde, selbst wenn man nicht in der Wissenschaft bleiben möchte. Diesen Rat fand ich überzeugend und so promovierte ich an der forschungsstarken Universität Essex in England. Die Zeit dort hat mich sehr geprägt: ich lernte dort, wie Wissenschaft funktioniert, traf spannende Wissenschaftler:innen, unterrichtete selbst viel und wusste ab diesem Zeitpunkt dann, dass ich Forscherin werden möchte.

Sie haben Ihren Post-Doc u.a. am renommierten European University Institute (EUI) gemacht und waren dort zuerst Max-Weber- und anschließend Jean-Monet Fellow. Wie waren diese zwei Jahre dort für Sie?

Das waren zwei ganz tolle Jahre! Ich kann das jedem nur empfehlen. Man muss dort gar nicht unbedingt promovieren oder den Post-Doc machen. Auch als Gastwissenschaftlerin kann man dort sehr viel mitnehmen. Es ist sehr international und ein sehr spannendes und wissenschaftlich inspirierendes Umfeld. Hier habe ich mich nochmal neuen Forschungsfragen geöffnet und neue Perspektiven auf meine Forschung eingenommen.

Sie bekamen anschließend den Ruf als Juniorprofessorin an der LMU. Wie bewerten Sie diese Art der Professur? Ist das ein geeignetes Instrument zur Nachwuchsförderung?

Ich hatte eine sehr gute Zeit in München! Ich wurde dort von Beginn an als vollwertiges Mitglied der Fakultät gesehen und habe dort sehr viel über den Job als Professorin gelernt. Das Problem war nur, dass ich keine Tenure-Track-Stelle hatte und mich auf neue Stellen bewerben musste. Der Vorteil daran ist aber, dass ich ja schon einmal berufen worden war und Erfahrungen als Professorin aufzeigen konnte. Dies erhöht dann deutlich die Chancen, später eine feste Professur zu bekommen. Ich bekam im Anschluss dann auch den Ruf an die Universität St. Gallen. An diesem Beispiel sieht man aber, wie wichtig es ist, flexibel und mobil zu sein, wenn man in der Wissenschaft bleiben will.

Als Professorin übernehmen Sie mit Lehre, Forschung, Drittmitteleinwerbung und Administration einen großen Aufgabenbereich. Außerdem sind Sie noch im Vorstand der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) und in der Sektion “Politische Ökonomie“. Vor Kurzem wurden Sie noch in den Rat der SWD (Sozial-und Wirtschaftsdaten) gewählt. Wie organisieren Sie all diese Aufgaben und Ämter?

Es ist zwar sehr viel Arbeit, aber mir gefällt es sehr gut, verschiedene Aufgaben zu haben! Außerdem kann man Forschung und Lehre gut vereinbaren: ich versuche in meinen Lehrveranstaltungen immer einen Teil meiner aktuellen Forschung zu integrieren. Einerseits ist das für mich immer sehr interessant, was die Studierenden von dem jeweiligen Forschungsthema halten und andererseits ist auch auf Seiten der Studierenden ein hohes Maß an Interesse an aktuellen Forschungsbezügen vorhanden.

Meine Aufgaben in der DVPW, aber auch im Rat der SWD erfordern zwar durchaus Zeit, aber es macht mir auch sehr viel Freude! Ich setze mich dort u.a. für open source ein. Man muss bei all den vielfältigen Aufgaben nur immer darauf achten, dass noch genug Zeit für die Forschung bleibt, denn dieser räume ich persönlich eine hohe Priorität ein. Ich versuche daher, mir zwei Tage die Woche Zeit für Forschung zu nehmen. Tagsüber arbeite ich meine Lehraufgaben und die administrativen Tätigkeiten ab und abends schreibe ich dann an Papern, da ich zu dieser Zeit am besten schreiben kann. Das ist aber eine individuelle Frage, jede Wissenschaftlerin muss ihre eigene Arbeitsweise finden.

Oft heißt es, dass sich Wissenschaft und Familie schwer vereinbaren lassen. Wie ist Ihre Meinung als frischgebackene Mutter dazu?

Im Alltag kann man Wissenschaft und Kind meines Erachtens gut vereinbaren, weil man sehr flexibel ist: meine Lehr- und Sprechzeiten sind zwar alle festgelegt, die restliche Zeit kann ich mir aber selbst frei einteilen. Zum Beispiel kann ich abends arbeiten, wenn meine Tochter schläft. Als Sozial- und Geisteswissenschaftlerinnen haben wir auch den Vorteil, dass wir nicht in einem Labor, sondern meist problemlos von zuhause aus arbeiten können. Meine Tochter hatte mit vier Wochen zum Beispiel ihren ersten Zoom-Call im Homeoffice! Außerdem sind wir als Wissenschaftlerinnen insofern privilegiert, als wir uns einen Kitaplatz und auch einen Babysitter leisten können, wenn wir das möchten. Andererseits muss einem aber auch bewusst sein, dass Wissenschaft viel Mobilität erfordert. In vielen Fällen haben Professorinnen Partner, die auch Karriere machen möchten und nicht unbedingt flexibel und mobil sind. Dies kann dann herausfordernd sein. Die klassische Professor-Hausfrau-Konstellation von früher, bei der die Frau dann immer klaglos mitzog, gibt es selbst bei männlichen Kollegen nicht mehr so häufig. Da hat sich einiges geändert. Allerdings ist es aufgrund der Biologie und vor allem weitreichender traditioneller Geschlechtervorstellungen für Wissenschaftlerinnen doch meistens schwieriger als für die männlichen Kollegen.