“Nehmen Sie Rückschläge sportlich!”

23. Februar 2021

Bevor Sie 2013 die Professur für Soziologie an der Goethe-Universität-Frankfurt erhielten, waren Sie zuerst Assistant und dann Associate Professor an der Universität in Amsterdam. Wie sehr hat Sie das niederländische Wissenschaftssystem geprägt?

Die Niederländer zeichnen sich zum einen dadurch aus, dass sie mit vergleichsweise restriktiven Arbeitszeiten und klaren Prioritäten für Familie und teilweise auch für Freizeit extrem kompetitiv und international erfolgreich in der Forschung sind. Das niederländische System war in dieser Hinsicht ein wichtiger Impuls für mich. Denn häufig wird einem in Deutschland sowie auch in den USA suggeriert, dass man nur erfolgreich sein kann, wenn man sieben Tage die Woche täglich 10 Stunden arbeitet. Ich finde es aber viel wichtiger, effizient zu arbeiten und sich genau auszusuchen, wie man seine Zeit und Energie investiert, um langfristig Erfolg zu haben. Diese effiziente Arbeitsweise hat mich damals in den Niederlanden sehr beeindruckt. Das Bürogebäude in Amsterdam wurde zum Beispiel um 18 Uhr abgeschlossen – ganz anders als in den USA.

Zum anderen ist das akademische System in den Niederlanden recht fordernd. Es wird einerseits viel von einem erwartet, andererseits wird einem auch viel zugetraut. Dies führte u.a. dazu, dass ich mich in der Anfangsphase meiner Karriere schon auf größere Grants bewarb und dabei auch unterstützt wurde. Das ist toll, denn dadurch kann man viel lernen und wird dazu ermutigt, größere Herausforderungen anzunehmen. In Deutschland dagegen ist es oft so, dass der Nachwuchs eher klein gehalten und oft nicht ernst genommen wird. Aus diesem Grund bin ich dann auch ins Ausland gegangen.

Sie haben Ihren Post-Doc in Yale in den USA gemacht und dafür auch ein Stipendium bekommen. Wie genau kam es zu dieser Entscheidung?

Ich wollte den Post-Doc nicht in Deutschland machen, da ich die Arbeitsbedingungen dort unattraktiv fand. Ich habe daher in den USA sowie auch in anderen Ländern nach Stellen gesucht, auf denen ich mein Forschungsprofil schärfen konnte. Am Center for Research on Inequalities and the Life Course in Yale war zu diesem Zeitpunkt eine Post-Doc Stelle ausgeschrieben, die genau zu meinem Forschungsschwerpunkt passte. Außerdem arbeiteten dort WissenschaftlerInnen, mit denen ich unbedingt mal zusammenarbeiten wollte. Aus diesem Grund bewarb ich mich dann für diese Stelle. Das war damals ein großer Schritt, aber ich bin der Meinung, dass man auch mal was wagen sollte! Ich stelle oft fest, dass viele Frauen schon von Anfang an aus dem Rennen ausscheiden, weil sie sich gar nicht erst bewerben. Ich habe mich für dieses Ziel dann stark eingesetzt und viel Zeit und Energie in meine Bewerbung investiert, die glücklicherweise geklappt hat. Es ist großartig, als junge Wissenschaftlerin an solch einer Universität zu forschen!

Wie wichtig ist es, für den Post-Doc oder auch für andere Qualifikationsphasen in die USA zu gehen?

Man muss meiner Meinung nach gar nicht unbedingt in die USA gehen, es gibt auch in anderen Ländern tolle Forschungsprogramme. Wenn man im Ausland eine Stelle annimmt, sollte es vor allem inhaltlich gut passen und der eigenen Profilierung dienen. Generell ist es unheimlich lehrreich, Auslandserfahrung zu sammeln – gerade dann, wenn man perspektivisch später nach Deutschland wieder zurück möchte. Ich finde es wichtig zu erfahren, wie das Wissenschaftssystem in anderen Ländern funktioniert. Die Strukturen an den deutschen Unis sind meiner Meinung nach oft festgefahren.

Wie managen Sie Lehre, Forschung, Administration und die Einwerbung von Drittmitteln? Und wie wichtig ist es dabei, Aufgaben an MitarbeiterInnen abzugeben?

All diese Aufgaben unter einen Hut zu bekommen ist sehr herausfordernd. Man muss Prioritäten setzen und sich genau überlegen, wo man wieviel Zeit und Energie investiert. Eine Karriere besteht schließlich aus verschiedenen Phasen, an denen man seine Prioritäten ausrichten muss – es gibt u.a. Forschungsphasen und Phasen, in denen man mehr für die scientific community tun muss.

Ich habe zu Beginn meiner Professur in Frankfurt ein Coaching gemacht, um zu klären, welche Aufgaben wichtig sind und welche ich eher reduzieren sollte. Als Professorin muss man gut organisiert sein und eine klare Linie für sich finden. Das Team spielt dabei eine zentrale Rolle. Eine gute administrative Unterstützung und verlässliche MitarbeiterInnen sind von großer Bedeutung. Darüber hinaus sollte man lernen, wann man welche Aufgaben an wen delegiert. Ich ermutige z.B. bereits meine DoktorandInnen dazu, kleinere Aufgaben an Hilfskräfte zu delegieren und so Mitarbeiterführung zu lernen.

Welches war einer der wichtigsten Ratschläge, den Sie während Ihrer akademischen Laufbahn bekamen? Und welchen Tipp würden Sie NachwuchswissenschaftlerInnen auf den Weg mitgeben?

Ich bekam u.a. den wichtigen Ratschlag, Rückschläge sportlich und daher auch nicht persönlich zu nehmen. Eine Absage ist kein Indikator dafür, dass man nicht gut genug ist! Die Wissenschaft ist ein kompetitives Feld, in dem man nicht immer gewinnen kann. Ich persönlich möchte Nachwuchswissenschaftlerinnen folgenden Tipp geben: Seien Sie mutig, nehmen Sie ruhig mal größere Herausforderungen an und überlegen Sie sich, wo Sie mit Ihrer Forschung genau hinwollen.